»Täglich werden etwa 200 Tonnen Kalk aus der gesamten Paderborner
Hochfläche herausgespült«, sieht Heiner Brinkmann vom Regionalbündnis
Windvernunft dringenden Handlungsbedarf angesichts der Untersuchungen
des Geologischen Dienstes. In einer Eingabe an den Kreis Paderborn als
Genehmigungsbehörde fordert er für das Bündnis Maßnahmen und
Konsequenzen auch bei der Genehmigung von beantragten Windkraftanlagen
wie bei Neuenbeken, Borchen oder Niederntudorf.
In dem Schreiben bemängeln die Vertreter, dass die zwingend
vorgeschriebenen Baugrunduntersuchungen nach der geotechnischen
»Kategorie 3« von den Betreibern nicht durchgeführt wurden, obwohl den
ortsansässigen Betreibern die Verkarstung des Untergrundes bekannt sei.
Die Initiative sieht sich durch die Fachbehörde in ihrer Forderung
bestätigt, dass für die genehmigungsfähige Abnahme eines solchen
Bauwerkes eine »ausreichende Anzahl von Bohrungen entsprechend Din 4020«
erfolgen müsse. Speziell im Windpark Hassel sei davon auszugehen, dass
»die Gefahr eines Erdfalls im direkten Bereich einer WEA latent
vorhanden ist«.
Tausende Tonnen ruhen auf dem Boden
Eine Enercon E 101, deren Standfestigkeit auf Karst- untergrund
durch den Geologischen Dienst untersucht worden ist, steht in der Regel
auf einem massiven Fundament mit einem Durchmesser von bis zu 30 Metern
und einer Höhe von bis zu vier Metern. Allein das statische Gewicht
eines Windrades ist enorm: Nach Herstellerangaben hat das Rad mit einer
Nabenhöhe von 135 Metern allein bei der Rotormasse (Generator, Nabe und
Blätter) ein Gewicht von 127 Tonnen. Der Gesamtturm wiegt 1600 Tonnen.
Hinzu kommt das Fundament mit einem Volumen von etwa 1000 Kubikmetern
Beton.
Ausgabe : Westfälisches Volksblatt 23.11.2016
Kritiker bemängeln Windkraftstandorte
Standsicherheit: Das Regional-Bündnis Windvernunft OWL-Sauerland wirft Betreibern vor, nur rudimentäre Gutachten in Auftrag gegeben zu haben. Der betroffene Gutachter hält geforderte Bohrungen für unnötig
Von Holger Kosbab
Paderborn.
In der Diskussion um Windräder haben die Kritiker vom Regional-Bündnis
Windvernunft OWL-Sauerland einen neuen Angriffspunkt: Sie bemängeln die
Standsicherheit der Anlagen auf den Karstflächen im Raum Paderborn.
Diese sei ihrer Ansicht nach nicht gegeben. Sie begründen dies mit einer
Stellungnahme des Geologischen Dienstes NRW zu einem exemplarischen
Fall im Windpark Hassel (Lichtenau). Die Landesbehörde beurteilt die
Bodenverhältnisse zum Teil anders als der vom Betreiber beauftragte
Gutachter.
Die
Windkraftgegner werfen den Anlagenbetreibern vor, nur rudimentäre
Gründungsgutachten in Auftrag gegeben zu haben. "Wir haben die große
Sorge, dass die Gutachten nicht ausreichend sind", sagte der
Windvernunft-Vorsitzende Heinrich Brinkmann. Eine Baugrundbeurteilung
mittels der angewandten Geoelektrik sei nicht möglich, da nur Löcher
erkannt würden, die größer sind als einen Meter.
Vor
etwa einem Jahr hatte ein Lichtenauer die Arbeiten am Fundament des
betreffenden Windrades fotografiert und dokumentiert - mit Öffnungen
aufgrund des Karstbodens. Daraufhin hatte sich ein früherer
Hochschulprofessor aus Bad Driburg, der beim Bau der Hochbrücke über den
Haxter Grund beratend war, das Gutachten angeschaut. Er kam zur
Bewertung, dass die geotechnische Untersuchung des Baugrunds keine
zuverlässige Methode sei.
Diese
Sicht teilt der Geologische Dienst NRW in Krefeld, den der Kreis
Paderborn im April um eine Stellungnahme des kritisierten Gutachtens
gebeten hatte. Als direkte Baugrundaufschlüsse kämen "nur
Rotationskernbohrungen mit durchgehender Gewinnung gekernter Proben in
Betracht", heißt es in dem Schreiben. Diese Kerne seien detailliert zu
beschreiben. Ohne Bohrungen fehlten entscheidende Grundlagen zum
Nachweis des Baugrundaufbaus, die laut Norm "zwingend erforderlich"
seien. Sonst sei eine "zuverlässige Beurteilung nicht möglich", es lägen
"keine belastbaren Ergebnisse über eventuelle Hohlräume im Untergrund
und zur Gefahr von Erdfällen vor".
Daraufhin
habe der Windkraftanlagenbetreiber Johannes Lackmann mit dem Kreis
Paderborn eine freiwillige Probebohrung vereinbart, zu deren Ergebnissen
der Geologische Dienst erneut Stellung nehmen sollte. Demnach beständen
aus ingenieurgeologischer Sicht jedoch weiterhin "erhebliche Bedenken".
"Zur
Zeit liegt der Standsicherheitsnachweis nicht vor", sagte Heinrich
Brinkmann. Er und Mitstreiter wie Hubertus Nolte (2. Vorsitzender
Windvernunft und Vorsitzender der Gemeinschaft für Naturschutz - GfN -
im Bürener Land) und Franz Mattenklodt (Windvernuft- und GfN-Mitglied)
fordern für alle Genehmigungsverfahren das Einhalten der
vorgeschriebenen Normen. Ihnen sei es so vorgekommen, als ob diese
Thematik für den Kreis Paderborn "ganz neu gewesen sei", sagte
Brinkmann.
Für
Windenergieproduzent Johannes Lackmann ist die Diskussion "an den
Haaren" herbeigezogen. "Wir haben die Gutachten, ich kann nur bauen, wo
ich es darf", sagte Lackmann. In einem Fall habe sein Gutachter einen
Standort als unbrauchbar abgelehnt. Gegen eine Gefahr spreche aus
Lackmanns Sicht auch der Haftpflichtversicherungsbeitrag, den er pro
Jahr und Anlage zu zahlen habe: 90 Euro.
Der
betroffene Gutachter kritisierte die Windkraftgegner, "so mit den
Ängsten und Sorgen der Bürger umzugehen". Der vorhandene Kreidekalkstein
sei verkarstungsempfindlich und strukturgeologische Anomalien in der
Tat besorgniserregend, sie würden aber mittels moderner Technologie
entdeckt. Und Kleinere Kluftzonen seien keine Gefahr. Bohrungen anhand
geophysikalischer Untersuchungen könnten bei Bedarf notwendig sein. Wo
es keine Bodenphänomene gebe, seien sie aber unnötig, da sie nur im
unmittelbaren Bohrbereich Aufschlüsse gäben. Aber natürlich könne nichts
endgültig ausgeschlossen werden.
Er
habe bei etwa 5.000 Windenergieanlagen begutachtet und beraten, sagte
der betroffene Gutachter. Wegen der Stellungnahme des Geologischen
Dienstes witterten die Gegner nun eine Chance. "Wenn man das Problem der
Erdfälle umfassend betrachtet, beträfe es alle Bauvorhaben wie auch
Wohnhäuser und nicht nur Windenergieanlagen", betonte er: "Es gibt im
Kreis Paderborn keine einzige Anlage, die wackelt und schief steht oder
umgefallen ist."
Zur
Stellungnahme des Geologischen Dienstes sagte der Gutachter, dieser
habe sein Gutachten "nicht in der Vollständigkeit gewürdigt".
Der
Kreis Paderborn als Genehmigungsbehörde teilte auf Anfrage mit: "Wir
prüfen die gutachterliche Stellungnahme des Geologischen Dienstes."
© 2016 Neue Westfälische 15 - Paderborn (Kreis), Mittwoch 23. November 2016 | |